Stolberger Geschichts- und Traditionsverein e. V.
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140 Jahre FOTO WIEDLINGFirmenschild Anton Wiedling


Ausstellung im Museum ALTE MÜNZE

Die Fotografie ist ein selbstverständlicher Teil unseres Lebens, sie begegnet uns überall. Doch das war nicht immer so. Zwar liegen ihre Anfänge weiter zurück, aber die Geburtsstunde der modernen Fotografie, wie wir sie heute kennen, schlug erst 1851. Damals wurde die Glasplatte als Trägermaterial und das Positiv-Negativ-Verfahren eingeführt. Das brachte die Möglichkeit, eine unbegrenzte Zahl von Abzügen in einer bis dahin unerreichten Qualität herzustellen. Anton Wiedling erkannte die Chance und eröffnete am 18. November 1864 in der Niedergasse 236 sein Fotogeschäft.. Er wusste nicht, dass er damit eine Familientradition begründete, die fast ebensolang währen sollte, wie die klassische Fotografie selbst.. Sein eigener Vater war noch Koch im Grafenhaus; die Rezepte mit denen sich Wiedlings fortan beschäftigen sollten, waren gänzlich anderer Art. In der Anfangszeit der Fotografie musste ein Fotograf in erster Linie Chemiker sein, wurden doch die benötigten Substanzen von Hand hergestellt. All das mutete geheimnisvoll an, erinnerte eher an Zauberei, wie aus dem scheinbaren Nichts ein detailgetreues Abbild der Realität entstand. Der 27-jährige Wiedling hat sich vermutlich bei der Firmengründung um solche Dinge keine Gedanken gemacht. Er setzte nur eine Geschäftsidee um, die ihn und seine Familie in den wirtschaftlich schweren Zeiten ernähren sollte. Dennoch sind uns aus jenen Jahren auch Fotografien erhalten, mit denen sich ganz gewiss kein Geld verdienen ließ: Bilder von alten, halb zerfallenen Häusern, die uns einen Begriff davon geben, wie das Leben in Stolberg vor der Jahrhundertwende aussah und damit auch, was Armut bedeutet. Es kann keinen Zweifel daran geben, dass der junge Wiedling Fotografie auch aus Passion betrieb, sich bereits als Chronist verstand, als jemand, der die Zeit mit bildlichen Mitteln festhalten wollte. Anfangs war das Verfahren überaus umständlich, da die Fotoplatten mit einer Kollodiumemulsion bestrichen, im nassen Zustand belichtet und sofort entwickelt wurden. Der Fotograf hatte daher stets seine komplette Dunkelkammerausrüstung dabei. Ab etwa 1871 wurde das Trockenplattenverfahren eingeführt, das durch die Trennung von Belichtungs- und Entwicklungsprozess eine erhebliche Arbeitserleichterung mit sich brachte. Da man zum Aufnehmen der Bilder im Gegensatz zum Nassplattenverfahren jetzt nur noch die Kamera und einige Platten benötigte, konnte sich nun die Reisefotografie entwickeln. Eine faltbare Trockenplattenkamera war für damalige Verhältnisse nahezu kompakt.

Die Firma brachte soweit Geld ein, das Anton mit Luise Krummel, der Nachbarstochter aus der Rittergasse, an die Gründung der eigenen Familie denken konnte. 1875 kam Sohn und Nachfolger Johannes auf die Welt, der das Geschäft übernahm.

Die Geschichte der Wiedlings wäre unvollständig, würde man nicht der Rolle der Ehefrauen und Mütter gedenken. Die Männer mussten in den unruhigen Zeiten in den Krieg, Johannes für den Kaiser, sein 1912 geborener Sohn Hans für Führer, Volk und Vaterland. So übernahmen also im ersten Weltkrieg Luise Wiedling, nach dem frühen Tode von Johannes 1930 dessen Frau Marie und im zweiten Weltkrieg Margarethe Wiedling, die Ehefrau des Sohnes Hans das Firmenruder. Von eben dieser Margarethe, Tochter des Stolberger Verlegers Fritz Buresch, stammt auch die Aufnahme vom Bombentreffer in der Niedergasse, ein für jene Zeiten durchaus gefährliches Bild, das sie leicht den Kopf hätte kosten können. Hans Wiedling kehrte 1945 aus dem Krieg in eine neue Welt zurück, die mit allem Althergebrachten brechen wollte. Die Bilder von den Veranstaltungen anfang der 50er Jahre künden von der Aufbruchstimmung, vom Willen, alles anders und besser als bisher zu machen. Wieweit sich diese Ideale umsetzen ließen, konnte Hans nicht mehr beurteilen, er starb bereits 1958 an den Folgen einer Gehirnerschütterung. Seine Frau sprang nochmals ein, bis Sohn Hans-Fritz Wiedling seine Meisterprüfung bestanden hatte und 1960 in der vierten Generation die Leitung übernahm. Krieg blieb ihm zum Glück erspart, seine Gegner hießen Planwirtschaft und Materialknappheit, die ihn fast zur Aufgabe gebracht hätten. Die Arbeit war hart, teilweise bis zu 16 Stunden brachte Hans-Fritz Wiedling im Geschäft zu.

Die Wende in der DDR brachte auch die Wende im Fotogeschäft. Plötzlich waren Farbbilder billig zu haben und so stellte sich auch Firma Wiedling um. Ein letztes Mal, denn gegen die Konkurrenz der billigen Massenware aus Drogerieketten war man chancenlos. Bereits die Ausbildung der Enkeltochter zur Fotografin verschlang mehr Geld, als der Laden einbrachte und musste deshalb abgebrochen werden. So endete 1998 mit der Schließung von Foto-Wiedling eine über hundertdreißigjährige Tradition. Gezählt sind aber auch die Tage der althergebrachten Fotografie, wie sie bereits Anton Wiedling kannte. Der Vormarsch der digitalen Technik scheint unaufhaltsam. Damit sind allerdings auch neue Chancen im Umgang mit den alten Medien verbunden. Hans Fritz Wiedling legte mit der leihweisen Überlassung des fotografischen Werkes seiner Familie den Grundstock zum Aufbau des digitalen Fotoarchivs des Stolberger Geschichts- und Traditionsvereins e.V. Damit besteht nun die Möglichkeit, „den Schatz der Wiedlings“ – wie er einmal in einem Zeitungsartikel benannt wurde - nicht nur dauerhaft zu konservieren und der Nachwelt zu erhalten, sondern ihn allgemein zugänglich zu machen. Diese kleine Ausstellung ist nur ein bescheidener Anfang.



Museum ALTE MÜNZE
Niedergasse 19
06547 Stolberg/Harz

Telefon (03 46 54) 8 59 60


Öffnungszeiten
Mittwoch-Freitag 13:00 Uhr bis 17:00 Uhr
Sonnabend-Sonntag 10:00 Uhr bis 17:00 Uhr