Stolberger Geschichts- und Traditionsverein e. V.
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Müntzer in Allstedt

Schloss Allstedt

Allstedt gehörte zum Herrschaftsbereich des Kurfürsten Friedrichs des Weisen, verwaltet wurde es jedoch von Herzog Johann von Weimar aus. Es bildete somit eine Exklave und war von den Grafschaften Schwarzburg und Mansfeld, Besitzungen des Erzbischofs von Magdeburg sowie den sächsischen Albertinern umgeben. Zum gesamten Amt Allstedt zählte insgesamt etwa 2.500 Einwohner, davon 700 in Allstedt. Anfang April 1523 traf Müntzer hier ein und leitete sofort eine Gottesdienstreform ein. Normalerweise erfolgte nur die Predigt in deutscher Sprache, Müntzer hielt jedoch die gesamte Liturgie, einschließlich der Lieder, auf deutsch. Daraus ergab sich ein ungeheurer Zulauf zu seinen Predigten von bis zu 2.000 Teilnehmern, wie der Amtmann des Schlosses, Hans Zeiß, an den Kurfürsten berichtet ("taeglich viel volks zu uns zur predig kompt und sonderlich auf einen sontag mehr dan 2000 frombds volk vorhanden". Hieraus entwickelte sich ein Konfliktstoff, da Allstedt ringsum von altgläubigen Territorien umgeben war. Ernst von Mansfeld verbot seinen Untertanen, an diesen Predigten teilzunehmen. Dies forderte den scharfen und öffentlichen Widerspruch Müntzers heraus, der wiederum den Protest des Mansfelder Grafen beim Kurfürsten zur Folge hatte. In Allstedt kam es zur Gründung des Allstedter Bundes, dem zu Beginn zunächst 30 Bürger angehörten, der aber später auf 700 anwuchs. In der aufgeladenen Stimmung kam es zur "Affäre Mallerbach", als im Ergebnis der Predigten Müntzers eine zum Kloster Naundorf gehörige Kapelle geplündert und in Brand gesteckt wurde.

Schlosskapelle AllstedtAufgrund der wachsenden Spannungen sah sich Herzog Johann genötigt, selbst bei einer Reise nach Halberstadt jeweils auf dem Hin- und Rückweg in Allstedt Station zu machen. Am 13. Juli 1524 wurde Müntzer dabei die Gelegenheit gegeben, seine Ansichten in einer Predigt vorzutragen, die später als Fürstenpredigt berühmt werden sollte. Darin erläuterte er seine Vorstellungen von der Errichtung eines Reiches Gottes auf Erden, von der Trennung der Gottlosen von den Auserwählten mit dem Schwert. Er bezeichnete es als die Pflicht der Obrigkeit, dieses Schwert zu führen. Sollten sie das nicht tun, werde ihnen das Schwert genommen.

Diese Entwicklung hatte sich bereits abgezeichnet, als Luther in seinem Brief vom 18. Juni 1524 an den Kurprinzen Johann Friedrich erstmals öffentlich und deutlich Stellung gegen den "Satan von Allstedt" bezog:

"Wo sie aber wöllen mehr thun denn mit dem wort fechten / wöllen auch brechen und schlahen mit der faust / da sollen E.F.G. [Euer Fürstlich Gnaden] zu greyffen / Es seyen wyr odder sie / und stracks das land verbotten und gesagt. Wyr wöllen gerne leyden und zusehen das yhr mit dem wort fechtet / das die rechte lere bewerd werde / Aber die faust halltet stille / denn das ist unser ampt / odder hebt euch zum lande aus. Denn wyr / die das wort Gottes füren / sollen nicht mit der faust streytten. Es ist eyn geystlich streyt / der die hertzen und seele dem teuffel ab gewynnet".

Am 1. August 1524 wurden Müntzer, Amtmann Zeiß und Ratsmitglieder zum Verhör nach Weimar geladen. Im Ergebnis dessen wurde Müntzer zunächst nur Zurückhaltung auferlegt. Den Rat beauflagte man mit der Entlassung des Druckers, der Auflösung des Bundes und Bestrafung der Täter von Mallerbach. Diese Entscheidungen wurden Müntzer am 3. August bekanntgegeben. Da er keinen Rückhalt mehr in der Stadt hatte, verließ er Allstedt in der Nacht vom 7. auf den 8. August.

Allstedt muss als die konstruktivste Phase seines Lebens angesehen werden. Hier begründet er seinen Ruf als Vater des deutschen Gottesdienstes und Kirchenliedes, hier entstanden seine wichtigsten Werke. Nicht zu vergessen, dass er kurz nach seiner Ankunft die entflohene Nonne Ottilie von Gersen heiratete und Ostern 1524 Vater eines Sohnes wurde.

Allstedt bringt die Gemeinsamkeiten und die Unterschiede mit Luther offen an den Tag und legt den Grundstein für eine erbitterte Feindschaft zwischen den beiden. Nachdem die Fürsten sich praktisch geweigert hatten, das Schwert zu nehmen, um das Reich Gottes zu errichten, musste sich Müntzer nach einem neuen Bündnispartner umsehen. Zur gleichen Zeit begann im Süden des Reiches der Aufstand der Bauern gegen die Obrigkeit. Müntzer erschien das als göttliches Zeichen, als quasi amtliche Bestätigung seiner Theologie von allerhöchster Stelle. Der Endkampf der Auserwählten gegen die Gottlosen hatte begonnen und Gottes Auserwählte waren ganz offensichtlich die aufständischen Bauern.